Samstag, 1.8.
Nach warmer Dusche und gemütlichem Frühstück in der Hütte (es ist doch ganz schön, auf Stühlen an einem Tisch im Trockenen zu sitzen) versuchen wir, anhand der Gangschaltungsbeschreibung den richtigen Dreh für die Einstellung zu finden. Außer 2 Kreuzschlitzschrauben lässt sich ja nichts verstellen. Trotzdem will es einfach nicht richtig funktionieren. Ein genauer Blick auf die Zahnräder zeigt dann, dass die mittleren Zahnräder falsch herum aufgeschraubt sind und deshalb die Kette nicht richtig packen können.
Wir beladen also die Räder und fahren mit dem gesamten Gepäck wieder zum Domus. Zum Glück ist Arvid auch heute Morgen da; wir erklären ihm die Sache mit den Zahnrädern, und er werkelt nochmals eine Viertelstunde mit Unterstützung eines Freundes am Hinterrad herum. Er will wieder absolut kein Geld annehmen; also tauschen wir unsere Adressen aus und versprechen ihm nach der Tour zu schreiben.
Wir haben uns gerade verabschiedet und wollen in die Pedalen treten, da schleift das Hinterrad. Also nochmals das Gepäck herunter und Speichen und Bremse nachjustiert.
Inzwischen ist es Mittag geworden, und es drängt uns vorwärts. Einen Kilometer außerhalb der Stadt erwartet uns der erste Regenschauer; also Ponchos drüber und weiter. So wird es den ganzen Tag über gehen - Poncho ab; Poncho drüber. Allerdings haben wir großes Glück mit dem Wetter: meist regnet es vor oder hinter uns; wir selbst kriegen eigentlich kaum was ab.
Aus der Karte haben wir schon entnommen, dass uns an diesem Tag drei Pässe erwarten; inzwischen haben wir uns aber schon mit den langen Steigungsstrecken abgefunden. Es geht dann eben etwas langsamer. Dafür gibt es ja auch immer wieder zwischendurch die schnellen Abfahrten.
Heute erwischt es auch Andree mit einer ersten Panne: Schraubenbruch am Lowrider. Da wir für derartige Fälle genügend Ersatzmaterial dabeihaben, ist diese Panne schnell behoben. So etwas stört uns schon gar nicht mehr.
Inzwischen haben wir den ersten, kleinen Pass mit 168m erreicht; leider geht es wieder tief hinunter vor dem zweiten Anstieg auf 327m Höhe (ächz!). Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass wir nur wenige Kilometer von der norwegischschwedischen Grenze entfernt sind; gäbe es eine vernünftige Strecke, könnten wir von hier aus über den Torneträsk direkt nach Kiruna fahren.
Stattdessen biegen wir weiter nach Westen ab und sausen nach Fossbakken hinunter, wo wir in einer Cafeteria ausgiebig rasten. Inzwischen haben wir das Prinzip mit dem freien Kaffee durchschaut: einmal zahlen, soviel trinken wie man möchte. Draußen beobachten wir die Ankunft und Weiterfahrt verschiedener Nord-Norge-Expressbusse. Die Busse sind voll mit jungen Rucksacktouristen. Da es hier oben keine Bahnlinie gibt, ist das die einzige Möglichkeit für Interrailer, zum Nordkap zu kommen. Für uns ist es eine Beruhigung zu wissen, dass wir notfalls auf dieses Verkehrsmittel zurückkommen können.
Angesichts des jetzt vor uns liegenden 428er-Passes fällt uns der Aufbruch schwer. Langsam strampeln wir die Serpentinen hinauf. Es wird schweinekalt und wir bedauern, keine Handschuhe dabei zu haben.
Das Wetter wird extrem düster. Direkt über dem Pass kommen uns dicke Regenwolken entgegen. Die Gipfel links und rechts sind bald in den weißen Schwaden verschwunden. Doch es bleibt weitgehend trocken.
Ein niederländischer Biker kommt uns entgegen und wir quatschen lange miteinander. Er ist von Oslo aus auf der E 6 unterwegs und verflucht die letzten 900 Kilometer bis zum Nordkap. Seine einzigen Kontakte sind abends auf dem Campingplatz; für ihn allerdings nichts außergewöhnliches, da er derartige Touren jedes Jahr macht.
Bei der Abfahrt erwischt uns dann doch noch ein kräftiger Regenschauer. Mit den Radponchos und den Gamaschen aber kein Problem.
Eine von uns sehnsüchtig erwartete "Touriststation" entpuppt sich lediglich als Denkmal einer französischen Einheit, die hier im Krieg gegen die Deutschen gekämpft hat. Überhaupt stehen wir hier auf einem Gelände, dass im Krieg stark umkämpft war. Diese Einzelheiten erfahren wir aber erst bei unserem Besuch im Narviker Kriegsmuseum.
Da wir endlich wieder mal mit Deutschland telefonieren wollen, fahren wir ein mitten in der Einöde gelegenes Touristhotel an. Hier hat sich schon eine deutsche Busreisegruppe breitgemacht.
Wir gönnen uns ein mit Käse und Schinken belegtes Mohnhörnchen und machen uns über den Kaffee her (Prinzip siehe oben). Dabei bleibt es uns nicht erspart, ein selbstgedichtetes Lied der Reisegruppe mitanzuhören!
Dann stehen wir kurz darauf auf dem letzten Pass und können in den Fjord hinunterschauen: im Dunst auf der anderen Seite können wir Narvik erkennen. Unser Ziel liegt fast greifbar nahe.
Da wir noch 2 Tage Zeit haben, legen wir kurz hinter dem Pass noch eine Zwischenübernachtung ein. Der Platz liegt mitten auf einem Feldweg; dahinter hat ein Bach die Straße weggeschwemmt. Hier können wir ungestört bleiben.
Unsere Nahrungsmittelreserven neigen sich dem Ende entgegen; wir greifen heute auf unsere "Expeditionsnahrung" zurück: aus dem Pulver rühren wir zuerst Rührei an, und braten es dann mit Wurst in der Pfanne. Es schmeckt gar nicht schlecht. Dazu gibt es echtes Normalbier vom Domus für 6 DM die 0,71 Flasche.
54 Kilometer betrug die heutige Tagesetappe; Schnitt 12,17 (wir werden langsamer); Max 34,7. Aufs Spülen verzichten wir - um halb zwölf kehrt Ruhe im Zelt ein.
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