Mitgliederbericht
Ort: Norwegen, Schweden, Finnland |
Zeit: 15.7.-06.8.1992 |
Autor: |
Nördlich von nirgendwo oder Mit dem
Rad durch Lappland
Mittwoch, 15.7.
Nach kurzer Fahrt ist Kassel erreicht, hier steigen wir in den ICE nach Hamburg um -
für uns alle die erste Fahrt mit dem ICE. Dementsprechend neugierig machen wir uns schon nach kurzer Zeit auf,
um den Superzug der Bahn näher zu erkunden. Er ist mit seiner Technik schon beeindruckend!
Zuerst sind wir beim Blick aus dem Fenster auf die vorüberziehende Landschaft ein wenig enttäuscht von
der relativ langsamen Geschwindigkeit; bis wir die Geschwindigkeitsanzeige auf dem Borddisplay
entdecken: 247 Km/h! Nur an den schwankenden Schritten beim Durchqueren des Zuges fällt einem die hohe
Geschwindigkeit richtig auf. Auch die von uns gebuchten Video-Plätze vertreiben einem recht gut die Zeit
(mit Kopfhörer hätte man natürlich noch mehr davon). Beim Gedanken an die Fahrt mit den Jungpfadfindern
Ende August nach Assisi (bei der wir ebenfalls den ICE benutzen wollen) befällt uns allerdings die bange
Frage, wo all das Gepäck untergebracht werden soll? Hier haben die Planer wohl nicht an Pfadfinder
gedacht! Der freundliche Zugbegleiter informiert uns auf Anfrage, dass jeder Reisende das Recht hat,
soviel Gepäck mitzunehmen, wie über und unter seinem Sitz verstaut werden kann - d.h., mit einem
mittelgroßen Rucksack ist man damit schon fast am Ende.
Beim Umsteigen in Hamburg Hbf werden uns zum ersten Mal die Taschen schwer:
mit all den Satteltaschen, Umhängetaschen, Lenkertaschen fühlen wir uns wie Django - nur ohne Pferd.
Natürlich fährt auch die Rolltreppe gerade in die falsche Richtung! Schnell werden noch letzte Bücher
für die einsamen Stunden in Lappland gekauft, später brachten vor allem die Zombie-Kurzgeschichten viel
Erheiterung, dann läuft auch schon der Nachtzug nach Stockholm ein. |
Donnerstag, 16.7.
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Freitag, 17.7.
Um 14.30 beginnt endlich unsere Radtour! 54 Stunden Anreise liegen bereits hinter uns - jetzt kribbelt es mächtig in den Waden - wird unsere Kondition -und natürlich auch das Material ! - bis zum Eismeer reichen, oder werden wir früher umdrehen müssen? Egal, heute sollen noch einige Kilometer gemacht werden!
Unser Benzinkocher, nun zum ersten Mal gefüllt, bewährt sich!
Nach Spätzle und Hackfleischsauce, verfeinert mit Parmesan und einigen Döschen Warsteiner verschwinden
wir zur verdienten Nachtruhe im Zelt - 50,2 Tageskilometer mit einem Reiseschnitt von 18,2 und einer Maximalgeschwindigkeit von 41,2 Km/h liegen hinter uns. Aber was heißt hier "Nachtruhe"? Die ganze Nacht hindurch knallt die tiefstehende Sonne auf das Zeltdach; dementsprechend hell ist es innen - und dementsprechend unruhig ist unser Schlaf!
Demnächst werden wir das Zelt irgendwo im "Schatten" aufbauen. |
Samstag, 18.7. Die Straße steigt inzwischen gleichmäßig an - trotzdem kommen wir gut voran. Vor einer besonders langgezogenen Steigung stärken wir uns noch schnell mit einer Dose Würstchen - irgendwie müssen wir das Gewicht ja mal reduzieren.
Inzwischen ist die Mückenplage fast unerträglich geworden; ein Feuer aus grünen Zweigen schickt seinen Rauch leider immer in die falsche Richtung. Zum Abendessen gibt es diesmal Reis; und als geschmackliches Experiment zur Sauce wieder Parmesankäse. Gegessen wird auf unkonvetionelle Art(bedingt durch die Mückenplage): in einer Hand den Teller balancierend, in der anderen Hand die Gabel, die zwischendurch bei jedem Biß das Netz vor dem Kopf kurz hochhebt oder auf der Tellerhand die Mücken wegwedelt.
Erst innerhalb des Zelts wird es wieder erträglich. Zum ersten Mal kommen die Mückenspiralen zum Einsatz - und tatsächlich: das hilft gegen die kleinen Biester! |
Sonntag, 19.7.
Er stellt sich als schwedischer Ranger vor, dessen Arbeitsplatz im Abisko-Nationalpark liegt, wo er vor allem verlaufenen und in Not geratenen Touristen weiterhilft. Wir erzählen ihm von unseren Plänen und ernten mal wieder ungläubiges Kopfschütteln, wie jemand freiwillig so eine Fahrt machen kann.
Am abendlichen Seeufer speisen wir und ruhen die Hinterteile von dieser anstrengenden Tagesetappe aus: 104,3 Km; Schnitt 17,14 und ein Max von 45 weist diesen Tag auf dem Kilometerzähler als den bislang anstrengendsten Fahrttag aus. Leider erweist sich das Fett im Kochgeschirr beim Spülen im See als sehr hartnäckig und wir müssen extra Spülwasser heißmachen. |
Montag, 20.7.
Mitten in der Einöde taucht eine Raststätte auf - also nichts wie hinein und gefragt, ob wir auch mit norwegischem Geld zahlen können - wir können! Während draußen unsere Räder aufgebockt auf uns warten, genießen wir die Wärme in der Gaststube, und nach unserem Motto "man gönnt sich ja sonst nichts" können uns auch die hohen Preise nicht besonders schocken.
Bei der Weiterfahrt passieren wir kurz darauf die finnisch-norwegische Grenze; eigentlich nur ein kleiner Straßenposten. Trotzdem freuen wir uns, denn jetzt sind es nur noch 40 Kilometer bis Kautokeino. Aber was für Kilometer! Zwar wird die Landschaft etwas flacher, dafür stört die extrem schlechte Straße! Immer wieder knallen wir in nicht rechtzeitig gesehene Schlaglöcher. Blicke voraus zum Himmel lassen nichts Gutes ahnen. dazu sitzt uns noch die Zeit im Nacken - wir rechnen mit 18 Uhr als Ladenschlusszeit in Kautokeino - bis dahin müssen wir im Supermarkt gewesen sein. |
Dienstag, 21.7.
Ein Fahrradhändler kann uns mit einer Nachzentrierung am Hinterrad nicht weiterhelfen, also muss es auch so gehen. Nach einem kurzen Telefonat mit Deutschland kriechen wir im Schneckentempo die Ausfallstraße von Kautokeino in Richtung Alta hinauf. Oben sitzt fröhlich lächelnd ein Schwarzer auf einer Bank und beobachtet unseren schweißtreibenden Anstieg. Es ist sehr warm, und wir fahren vorübergehend in Hemdsärmeln. Aber nur vorübergehend - denn ein Blick nach hinten lässt uns stärker in die Pedalen treten: eine schwarze Wolkenwand schiebt sich vom Meer her über das Gebirge heran.
Auf einem Parkplatz geben wir das ungleiche Wettrennen auf und ziehen uns nach einer kurzen Frühstückspause zum Wolkenbruch um: Perry's (Anm. d. Autors: So haben wir die Schutzhauben genannt) über die Radtaschen; für uns Fahrradponcho (Uraufführung) Regenhose und Gamaschen über die Schuhe. Jetzt kann's losgehen. Und es geht los! Der Regen von oben macht gar nicht so viel aus; schlimmer sind die vorbeirauschenden Autos mit ihren Wasserschwällen von unten.
Heute stehen wir erst spät auf; die letzte Tagesetappe war doch recht anstrengend. Der Himmel zeigt sich beim Verlassen des Zeltes stark bewölkt und es ist auch nicht sonderlich warm. Auch sonst hält uns nichts in dieser trostlosen Einöde; ein Versuch, zum Spülen an den im Tal liegenden Bach heranzukommen, misslingt. Also starten wir gegen 11.30 Uhr zur Fahrt nach Karasjok.
Schließlich fahren wir erst einmal hinab in den Ort und machen Rast in einer warmen Cafeteria; gleichzeitig füllen wir unsere Vorräte auf. Das Wetter verschlechtert sich zunehmend. Dennoch fahren wir gegen 17 Uhr weiter; aus Karasjok hinaus in Richtung Lakselv.
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