Mitgliederbericht
Ort: Norwegen, Schweden, Finnland |
Zeit: 15.7.-06.8.1992 |
Autor: |
Nördlich von nirgendwo oder Mit dem
Rad durch Lappland
Gegen Mittag schieben wir die Räder wieder auf die Straße und fahren los. Nach dem gestrigen Regen haben wir es jetzt mit einem neuen Gegner zu tun: dem Wind!"Der Wind kommt immer von vorn" steht als Spruch in vielen Reiseführern- und das kann ganz schön entmutigen. Zudem geht es immer noch bergauf. Wir kommen nur schleppend voran. Gegen 14 Uhr setzt auch noch Regen ein. An einem einsamen Bauernhaus versorgen wir uns mit Trinkwasser und wollen möglichst bald Schluss machen für heute. Da taucht ein Hinweisschild für eine Hüttensiedlung auf. Keine Frage: hier werden wir übernachten, egal was es kostet!
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Freitag, 24.7.
Gegen Abend verlassen wir die Küstenstraße und fahren zum Meer hinab. Direkt am Strand bauen wir unser Zelt auf und kochen unser Süppchen. Zwischendurch erschein ein Bauer mit seinem Sohn und fragt uns nach woher und wohin. Wir erklären ihm, dass wir unterwegs zum Nordkinn sind, und er trollt sich wieder zufrieden.
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Samstag, 25.7.
Mit Rückenwind erreichen wir fantastische Fahrtwerte: mit fast 60 Stundenkilometern (genau 58,6) sausen wir über das Fjell leicht bergab. Das bringt Kilometer. Bei Kunes machen wir Mittagsrast und kochen uns ein Fertiggericht. Die Räder haben wir auf einer kleinen Betonbrücke abgestellt (ohne Geländer). Da passiert es auch schon: Martins Rad kippt um und rutscht halb über die Brückenkante! Nur noch die Hinterradtaschen halten es auf der Brücke - das wäre fast das Ende der Fahrt gewesen! Aber einen guten Schutzengel braucht man eben auch.
Nach der Mittagsrast geht es gleich wieder bergauf; ein weiteres "Minigebirge" zwischen zwei Fjorden muss überwunden werden. Beim Adamsfossen haben wir dafür eine eindrucksvolle Aussicht auf den Wasserfall zum Meer hinunter. Später finden wir ein Foto davon im Reiseführer wieder. Leider müssen wir an diesem Tag noch mehrmals zum Fjord hinunter und über ein Zwischengebirge zum nächsten Fjordarm weiter. Unsere Karte zeigt das leider nicht so deutlich, und wir lassen uns immer wieder aufs Neue überraschen. |
Sonntag, 26.7.
Noch vor wenigen Jahren gab es hier überhaupt keine Straßenverbindung; erst 1990 wurde der Nordkyn-Vegen eröffnet.
Nach einer letzten Tasse Cappuccino machen wir uns wieder auf; immer entlang der Eismeerküste, bergauf und bergab. GS folgt uns unverdrossen, wird aber langsamer. Nach 15 Kilometern sehen wir ihn noch am gegenüberliegenden Fjordufer laufen; dann sind wir bergab zu schnell für ihn.
Originalton Reiseführer: "Das ist sicher der ödeste Teil Norwegens, aber er ist von einer bizarren Schönheit, die ihresgleichen sucht. Das Land, ohne Baum und Strauch, ist voller Felsbrocken; die Straße führt auf abenteuerlichen Wegen dazwischen hindurch" So ist es!
Der größte Schock steht uns aber noch bevor: kurz vor dem Abstieg hinab zum Fjord nach Hopseidet sehen wir auf der gegenüberliegenden Gebirgsseite die Straße schon wieder in endlosen Serpentinen am Berg hochklettern. Ein Königreich für eine weitgespannte Brücke über den Fjord!
Drei Kilometer müssen wir uns erneut aufs Fjell Hochquälen; eine Zwischenübernachtung würde sich aber nicht mehr lohnen, denn wir sind nur noch 30 Kilometer vor Mehamn. Oben, auf der Hochfläche, wird das Radfahren aber schon fast wieder zum Genuss; im Licht der tiefstehenden Mitternachtssonne kommen wir gut voran. Auch abgebrochene Ständer am Rad können uns nicht mehr aufhalten!
Schon bald erscheint vor uns in einem Taleinschnitt der kleine Hafenort Mehamn; beschienen von der Mitternachtssonne. Wir sind am Ziel: fast genau 770 Kilometer, wie vorgeplant, haben wir 9 Tagen geschafft; mit 71° 8' 1' haben wir Europas nördlichsten Festlandpunkt erreicht. Unsere erste Etappe ist hier beendet; wir werden jetzt mit dem Postdampfer der Hurtigroute weit nach Süden zurückfahren.
Trotz des hohen Preises für Fahrt und Kabine (250 DM für jeden) lohnt sich die Fahrt mit dem Postschiff; für 36 Stunden gibt es auch genügend zu sehen und zu entdecken. Vorher aber ziehen wir uns müde in unsere Kabine zurück; die heutige Etappe war zwar nicht die längste (102 Km), wohl aber die anstrengendste (Schnitt 13,24; Max 41,5). |
Montag, 27.7.
Am Vormittag legt das Schiff zu einem anderthalbstündigen Aufenthalt in Hammerfest, der nördlichsten Stadt der Welt, an. Wir haben Zeit für einen ausgiebigen Stadtbummel. Hier in Hammerfest ist in den hellen Sommerwochen wirklich was los! Wir sitzen am Marktplatz und schauen dem Treiben um uns herum zu. Es ist auch mal schön, keinen Sattel unter dem Hintern zu spüren. |
Dienstag, 28.7.
Auf der anderen Seite müssen wir irgendwo einen Platz für die Nacht finden, da die Berge auf den nächsten Kilometern immer dichter an den Fjord heranrücken werden und wohl gar nichts mehr kommen wird. Erst versuchen wir es hinter einer Fabrik; dann aber finden wir einen prima gelegenen Rastplatz direkt am Fjordufer mit schönem Rasenboden. Zwei andere Deutsche haben es sich auch schon gemütlich gemacht.
Trotz des späten Aufbruchs haben wir noch 64 Km geschafft (Schnitt 13,55, Max 43).
Nach einem heißen Frühlingssüppchen (langsam gehen unsere Vorräte zur Neige und wir müssen uns schon an das Trockenfutter halten) verschwinden wir im Zelt. Erstmals brauchen wir auch keine Mückenspirale. Den kleinen Plagegeistern scheint die Kälte und Nässe nicht gut zu bekommen. |
Mittwoch, 29.7.
Im Supermarkt von Lyngseidet kaufen wir endlich auch die eingeplanten Hamburger samt Zubehör. Sie sind für das Abendessen bestimmt. Zu Mittag gibt es riesige Mengen Joghurt; zum Kaffee einen norwegischen Kuchen.
Gegen Abend kommen wir doch nicht um ein kleines Stück auf der E 6 herum; der Verkehr ist wirklich enorm; viele Wohnmobile nehmen zwar auf uns Rücksicht, manche aber eben nicht, und wir bekommen dann jedesmal einen Schwall Wasser von unten ab. Wir folgen daher dem Rat unseres Reiseführers und biegen in Övergard in ein Nebental ab. Lieber Berge strampeln, als ständig am äußersten Straßenrand fahren zu müssen.
Für heute langt es uns aber auch; wir besorgen uns Trinkwasser an einem Bauernhaus (und kommen dabei mit der ganzen Familie ins Gespräch) und suchen uns ein abgelegenes Plätzchen abseits der Straße. Inzwischen haben wir uns ganz an das norwegische Jedermannsrecht zum Campen in der freien Natur gewöhnt.
Wieder haben unsere Räder 62 Kilometer zurückgelegt (Schnitt 16,2; Max 43).
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