Gastbericht
 

Ort: Norwegen

Zeit: August 2000

Autor:

Stefan Kersting Mail


Zu Fuß die Lofoten entdecken - von Å nach Svolvær


Zum ersten Mal in Norwegen war ich 1992.Auf dieser Reise habe ich mich mit dem "Norwegenvirus" infiziert und ich bin ihn bis heute nicht mehr losgeworden.
Seither konnte ich auf diversen Reisen Land und Leute kennen lernen. Bei der Vorbereitung auf meine Touren bin ich immer wieder auf die Lofoten als Reiseziel gestoßen und ziemlich schnell entstand in meinem Kopf die Idee, die "Luchsfußinseln" mit Zelt und Rucksack zu erleben. Und im August 2000 war es dann so weit.
Die zweiwöchige Route führte mit meiner damaligen Freundin von Å nach Svolvær.
Um keinen langen Anreiseweg und möglichst viel Zeit für die Lofoten zu haben, war das Flugzeug Mittel der Wahl. Wir sind also von Hamburg über Oslo nach Bodø geflogen. Noch nicht einmal festen Erdboden unter den Füßen haben wir einen ersten Eindruck bekommen, was uns in unserer ersten Urlaubswoche erwarten sollte.
Der Pilot hat den Sinkflug eingeleitet und die schöne Aussicht auf die niedrig am Horizont stehende Sonne war bald vorbei.
Statt dessen gab es nur noch Wolken und eine Luftfeuchtigkeit von 100%! So haben wir dann gegen 23.00 Uhr eine Landung im total verregneten Bodø erleben dürfen.

Nach der Landung

Als ersten Schritt nach der Landung galt es, ein trockenes Plätzchen über dem Kopf zu finden. Zum Glück gab es am Flughafen diverse Infoblätter über Bodø und darunter war auch ein Stadtplan. Mit diesem Plan in der Hand sind wir im strömenden Regen losgezogen, um uns einen geeigneten Zeltplatz zu suchen. Ich kann nicht sagen wieso, aber wahrscheinlich sind nur Deutsche so bescheuert, nachts um 23.30 Uhr im Regen mit einem großen Rucksack durch Bodø zu laufen. Jedenfalls hat plötzlich ein Norweger mit seinem Auto neben uns angehalten und auf deutsch gefragt, ob wir etwas suchen würden. Etwas verdattert haben wir ihm gesagt, wir seien auf der Suche nach ein paar qm für unser Zelt. Daraufhin antwortete er wir sollten an Ort und Stelle warten, da sein Wagen voll mit Kartons sei, die er noch ausladen müsse. Keine zehn Minuten später fuhr ein entrümpelter Kombi vor und wir wurden zum nächsten Zeltplatz gebracht. Auf der Fahrt stellte sich dann heraus, dass dieser Norweger für längere Zeit in Düsseldorf gearbeitet hat, aber warum er uns direkt auf deutsch angesprochen hat...

Am darauffolgenden Tag

Am nächsten Tag ging es dann in Richtung Hafen, wo wir die nächste Autofähre nach Å nehmen wollten. Das Wetter war immer noch nicht besser geworden, aber wir haben gedacht, dass es unterwegs noch aufklaren wird. Und tatsächlich, vom Nebel war, je weiter wir rauskamen nichts mir zu sehen - dafür regnete es wie in der Nacht zuvor. Also spielte sich auch fast alles unter Deck ab. Die meisten nutzten diese Schlechtwetterpause um zu lesen , sich ein Lachsschnittchen oder andere Leckereien am Bord zu gönnen. Das Dumme war nur, dass mit zunehmender Entfernung vom Festland auch der Seegang im Vestfjord immer mehr zunahm. Diese Tatsache war vielen Fahrgästen sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben und der ein oder andere vorher zu sich genommene Fisch wurde buchstäblich wieder seinem natürlichen Element übergeben. So war der ein oder andere dann doch froh, als die Fähre heil im Hafen von Moskenes festgemacht hat. Der schönen Aussicht auf die "Lofotveggen" sollte dies aber keinen Abbruch tun. Der Anblick auf dieses steil aus dem Meer herausragende Massiv ist auch bei regnerischem Wetter atemberaubend!
Im Hafen angekommen haben wir uns erst einmal ein Karte gekauft um uns einen bessern Überblick zu verschaffen. Wie geplant ging es dann in Richtung Å, da wir auf dem dortigen Zeltplatz die erste Übernachtung machen wollten. Da unsere Rucksäcke, es war die erste Tour per pedes und mit Rucksack, doch etwas schwer waren, haben wir kurzerhand ein Pärchen, dass wir auf der Fähre kennen gelernt haben, gefragt, ob sie das Gepäck nicht mitnehmen könnten.

 



Auf dem Zeltplatz

Dort am Zeltplatz angekommen haben uns erst einmal "häuslich" niedergelassen und die herrliche Ruhe genossen. Es waren Mitte August nicht mehr allzu viele Leute mit dem Zelt unterwegs, so dass der wir uns ein stilles Plätzchen aussuchen konnten.
Der folgende Tag war für das "fiskeværmuseum" reserviert und wir haben uns eine grobe Vorstellung davon machen können, wie das Leben auf den Lofoten in früheren Zeiten gewesen sein muss. Ebenfalls sehr empfehlenswert ist das Dorschfischmuseum, wo gezeigt wird, wie früher die Fischverarbeitung abgelaufen ist.
Bevor es nach Reine ging, galt es in Å eine Nacht mit Windstärke sieben zu überstehen. Ich weis nicht mehr in welchem Reiseführer darauf hingewiesen worden ist, aber nach dieser Nacht glaube ich wirklich, dass das ein oder andere Zelt von diesem Platz wirklich im Meer gelandet ist. Jedenfalls machte das Zelt einen enormen Lärm und an Schlafen war kaum zu denken. Dank einer guten Abspannung hat aber alles gehalten.


Nach dieser recht kurzen Nacht haben wir den Bus von Å nach Reine genommen und was soll ich sagen, das Wetter wurde zunehmend schlechter. In England hätte man wohl von Katzen und Hunden gesprochen, die vom Himmel fallen. Die Tour auf den Reinebriggen mit der in jedem Reiseführer zu bestaunenden Aussicht auf den Fjord konnten wir somit nicht machen. Auf Grund des widrigen Wetters und der Tatsache, dass wir in der letzten Nacht kaum geschlafen hatten, gönnten wir uns den Luxus einer "rorbu". Sehr spartanisch ausgestattet mit externer Toilette (sprich etwa 40m Fußmarsch) haben wir pro Nase damals 50 DM bezahlt. Ein stolzer Preis für zwei Zimmer!



In Reine

Und dann waren da noch die Nachbarn... Zwei dieser Wohnungen waren jeweils durch einen Eingang zu erreichen, der, wenn man die Wohnung verlässt, von außen verriegelt wird. Leider wussten unsere Nachbarn wohl nicht von uns, so dass sie natürlich die Tür verriegelt - und uns eingesperrt - hatten. Also haben wir einige Zeit damit zugebracht auf jemand zu warten, der uns wieder herauslässt. Nachdem wir dann ein paar Leute auf uns aufmerksam gemacht und zu verstehen gegeben hatten, wo unser Problem liegt, hatten wir auch unsere Freiheit wieder.
Traumatisiert ;-) von diesem Erlebnis führte der Weg weiter nach Fredvang. Temperaturmäßig war es wohl der Tiefpunkt unserer Reise, da das Thermometer irgendetwas zwischen 3° und 5° C angezeigt hat - und es hat natürlich geregnet. In der Hoffnung auf besseres Wetter sind wir dann nach Ramberg "umgezogen" (ungefähr ein paar hundert Meter Luftlinie von Flakstad). Da der Platz dort sehr schön war und man sich mit anderen "Fußgängern" austauschen konnte, beschlossen wir, dort etwas länger zu bleiben. Insbesondere der für die Lofoten (bzw. auch für ganz Norwegen) einzigartige Sandstrand trägt zu dem besonderen Charme bei.



In Ramberg

Von Ramberg aus haben wir schöne Tagesausflüge in die Umgebung gemacht. Sehr lohnend ist etwa die Kirche in Flakstad. Diese Kirche wurde ursprünglich komplett aus Treibgut aufgebaut und ist vor allem von innen sehr interessant. Dies ist allerdings kein tagesfüllendes Programm und daher ging es weiter nach Nusfhord, ein viskevær, das seit 1975 auf der World Heritage List der UNESCO steht. Da zu der Zeit, als wir auf den Lofoten kein Bus (jedenfalls für uns passend) nach Nusfjord fuhr, haben es wir kurzerhand per Daumenexpress geschafft (zum Thema Anhalter muss Folgendes gesagt werden: es ist nicht ganz einfach sich auf diese Art und Weise auf den Lofoten zu bewegen. Erstens ist die Verkehrsdichte derart gering, so dass man lange auf ein Auto warten muss. Wenn eines vorbeikommt sind es meist Deutsche, die die Rückbank umgelegt und selbige mit Produkten von Aldi, Lidl & Co bis zum Dach vollgepackt haben. Da ist dann auch kein Platz mehr für Anhalter. Daher sind es meist die Einheimischen, die einen mitnehmen - ist ja auch am Interessantesten so ;-)). Ok, Nusfjord - was über die Bedeutung der unterschiedlichen Farben der Häuser zu sagen ist, möchte ich hier nicht nachplappern, das kann in jedem Reiseführer nachgeschlagen werden. Vor allem aber kann man das Verhalten von Reisegruppen studieren. Es ist echt skurril, wenn fünf Busse in den Ort einfallen, die Menschenmassen herauskommen, durch den Ort strömen, Souvenirläden bevölkern und wieder zurück in die Busse drängen. An solchen Szenen erkennt man im übertragenden Sinne eine richtige Fast-Food Mentalität. Ich will da jetzt nicht drüber urteilen, denn ich bin letztendlich als Besucher der Lofoten auch nur ein Glied in dieser "Fremdenverkehrsindustrie", aber wer mal in Nusfjord ist, sollte drauf achten und sich seine eigenen Gedanken dazu machen. Genug philosophiert, um unsere Ruhe vor diesem "Sightseingstreß" zu haben, sind wir an der Südseite von Flakstadøy auf einem Wanderweg über Nesland zurück nach Ramberg gegangen. Hier war dann auch kaum eine Menschenseele unterwegs was wohl auch an dem "suboptimalen" Wetter lag.

 

Das Etappenziel Balstad

Inzwischen war schon eine von den beiden Wochen vergangen und als nächstes Etappenziel haben wir uns Ballstad ausgesucht. Da für die kommende Woche das Wetter besser werden sollte, wollten wir direkt etwas mehr vom Tag haben und früh aufbrechen. Also haben wir zum zweiten Mal das Zelt im Sack gelassen und uns ein kleines Zimmer genommen (dieses mal nicht ganz so teuer und nicht wegen des schlechten Wetters).
Früh ging es dann von Ballstad aus los in Richtung Nappstraumen und wieder einmal wurden hier die Maßstäbe zurechtgerückt. Die Tour haben wir auf Empfehlung eines Einheimischen unternommen und was ein Norweger als Wanderweg bezeichnet fällt bei einem Mitteleuropäer unter die Bezeichnung Viehtrift - und dies im wortwörtlichen Sinne. Im Gegensatz zu unseren sonstigen Wanderungen hatten wir bei dieser tierische Gesellschaft bekommen. Dem Rudeltrieb folgend meinten immer mehr Schafe, sich zu uns gesellen zu müssen. Da das Gelände sehr steil war und der schmale Pfad als einziges relativ bequem zu begehen war liefen letztendlich etwa 15-20 Schafe vor uns her. Irgendwann haben sie dann aber Platz gemacht und wir gingen mal wieder alleine weiter. Vorbei an den wüstgefallenen Siedlungen Nord- und Sørgrena stiegen wir auf einen Bergrücken mit einer Höhe von ca. 250m. Der kurze aber steile Aufstieg wurde mit einer großartigen Sicht auf Nappstraumen, Lofoten und das norwegische Festland belohnt.


 

Auf geht´s nach Alstad

Auf dem Weg nach Alstad war Leknes nur eine notwendige Zwischenstation, die wir bald verließen. Dem geschäftigen Treiben dieses Versorgungszentrums der Lofoter wollten wir so schnell wie möglich wieder entkommen und nahmen den nächsten Bus in Richtung Norden. Alstad war dann das komplette Gegenteil von Leknes - kein hektisches Treiben (wenn man davon überhaupt sprechen mag) und nur wenig Verkehr machten diesen Ort zu einer Insel der Ruhe. Selbst auf dem Zeltplatz waren wir ganz alleine.


Ein Highlight der Tour war das Fischerdorf Henningsvær. Nicht nur der Ort selbst ist absolut sehenswert, wir hatten auch einen exklusiven Zeltplatz. Auf mein Drängen hin haben wir dort auch zum ersten Mal vom Jedermannsrecht Gebrauch gemacht und "wild" gezeltet. Dabei erwies sich unser Platz für die Übernachtung als ideal. Auf einer Landzunge hinter den Ort hatten wir nicht nur eine schöne Aussicht auf den Ort sondern ebenfalls auf den Vestfjord. Außerdem lag der Platz so, dass wir nicht gestört wurden und selbst auch niemanden störten. Wer übrigens den besten Bäcker auf den Lofoten sucht, der ist mit einem Besuch in Henningsvær gut beraten ;-)


Das Ende - Svolvær

Mit Erreichen des Ortes Svolvær rückte auch das Ende der Tour immer näher heran. Nichtsdestotrotz erkundeten wir die Umgebung dieses Ortes. Da das Wetter einigermaßen mitspielte, unternahmen wir noch eine Tageswanderung in das "Hinterland". Der Weg führte uns am Tuvavatnet vorbei auf den 521 m hohen Blåtinden und die 477 m hohe Nattmålstuva. Von dort aus bot sich mal wieder, wen wundert es, ein wunderbarerer Blick auf die Lofoten. Auf der einen Seite lag Svolvær, auf der anderen Seite konnte man den Austnesfjord und die über 1000 m steil aufsteigenden Felswände der Insel Austvågøy sehen

Langsam an den Heimweg denken!

Beim Abstieg in Richtung Svolvær mussten wir feststellen, dass die Welt ein Dorf ist. Wir trafen zwei Abiturienten, die mit dem Scanrail Ticket in Skandinavien unterwegs waren. Man unterhält sich und immer recht schnell wird die Frage gestellt: "Wo kommt ihr denn her?". Nun ja, damals noch in Münster/Westf. wohnend stellte sich heraus, dass die zwei aus Warendorf kamen (ist etwa ein halbe Stunde von Münster entfernt). Da muss man also erst tausende von Kilometern reisen, um Leute kennen zu lernen, die nur einen Steinwurf entfernt von einem wohnen...
Rechtzeitig zur Abreise von den Lofoten verschlechterte sich das Wetter wieder. Die Wolken hingen sehr tief und das Wahrzeichen von Svolvær, die Svolværgeit, konnten wir leider nicht mehr sehen.


 

Die Rückfahrt

Für die Rückfahrt nahmen wir dieses mal keine Autofähre, sondern die Hurtigrute. Zum einen sollte diese Überfahrt etwas ruhiger werden und zum anderen ist es auch ein Erlebnis, mit diesem Postschiff gefahren zu sein. Wir bestiegen also die "Kong Harald" und da bis zum Ablegen noch Zeit war, konnten wir dem hektischen Treiben beim Be- und Entladen noch ein wenig zusehen. Besonders auffällig war jedoch, dass ziemlich viele Leute das Schiff verlassen haben. In Stamsund gab es dann des Rätsels Lösung. Es handelte sich offenbar um "Kreuzfahrer", die die Möglichkeit eines Landganges nutzten, um sich die Lofoten anzuschauen. Nachdem sie mit fünf Bussen für wenige Stunden über die Lofoten gefahren worden sind, stiegen sie in Stamsund wieder zu.
Na dann, bis zum nächsten mal
eure Schriftführerin
Erika

Fazit:

Zweifelsfrei ist eine Reise mit der Hurtigrute sehr eindrucksvoll, aber für die Lofoten, das haben wir in diesem Moment festgestellt, muss man sich einfach Zeit nehmen. Selbst zwei Wochen waren da schon relativ wenig.