Der Pilz des Monats September 2006

Grüner Knollenblätterpilz

- Grüner Knollenblätterpilz –
- Amanita phalloides –
- Norwegisch: Grønn fluesopp –
- +++ tödlich giftig !!! +++ –


Grüner Knollenblätterpilz

- Grüner Knollenblätterpilz –
- Amanita phalloides –
- Norwegisch: Grønn fluesopp –
- +++ tödlich giftig !!! +++ –


Gattungszuordnung

Der Grüne Knollenblätterpilz ist einzuordnen in die

- Klasse der Ständerpilze (Basidiomycetes)
- Ordnung der Blätterpilzverwandten (Agaricales)
- Familie der Wulstlingsartigen (Amanitaceae)
- Gattung der Knollenblätterpilze (Amanita)



Der Grüne- und der Weiße Knollenblätterpilz in der Literatur

Titel Autor Seite
- Der große BLV-Pilzführer Ewald Gerhardt 18 / 2
- Der große Kosmos-Pilzführer Hans E. Laux 256 / 1
- Sopp i Norden og Europa Bo Nylén / Per Marstad 337 / 1
- 1200 Pilze Rose Marie Dähnke 470
- Svampar / Pilze Rymann / Holmåsen 399 / 2
- Pareys Buch der Pilze Marcel Bon 299 / 6

Weitere Literatur zur Bestimmung von Pilzen ist auf unserer Literaturseite aufgeführt.


Beschreibung der Art:

Hut zwischen 3 und 15 cm breit, anfangs komplett eiförmig und von einer weißen Hülle (Velum universale) eingehüllt, jedoch bald daraus hervorbrechend und dann mit eiförmig-ovalem bis kegeligem, aber schon bald flach ausgebreitetem Hut in Farben, die alle Schattierungen von fast grünlichweiß bis kräftig oliv-gelbgrün zeigen. Die Huthaut ist oft radialfaserig eingewachsen, zumeist aber kahl, glatt und nur selten mit Hüllresten, die dann als größere hautartige weiße Lappen auf dem Hut zurückbleiben, Rand glatt und ungerieft.
Lamellen frei, d.h. den Stiel nicht erreichend, eng stehend bis gedrängt, schmiegsam und weich und rein weiß.
Stiel 15-18 cm x 1-2 cm zylindrisch zur Stielspitze hin schwach konisch zulaufend, gestopft bald hohl werdend, in Hutfarbe genattert, also mit einer Art Band- oder Zickzackmuster versehen, durch das hellere Stielteile durch die typisch grünliche Farbe durchschimmern. Er hat einen weißen, zarten, häutigen und hängenden Ring der oberseits fein gerieft ist. Die Stielbasis ist stark knollig verdickt und wird von einer kräftigen weißen lappigen Hülle, Scheide oder Volva genannt, umschlossen, die zum Stiel hin offen steht.
Fleisch zart weiß unter der Huthaut gelbgrünlich.
Geruch jung fast geruchlos, dann appetitlich süßlich, jedoch bald widerlich überreif bis aasartig süß.
Geschmack mild (um Himmels willen bloß nicht probieren!!!).
Sporenpulver weiß.
Sporen rund, kugelig und amyloid (in Melzers Reagenz, einer Jod-Jodkaliverbindung nach blau verfärbend) 6,5 - 9µ x 8,5 - 10 µ

Vorkommen:

Juni bis Okt. hauptsächlich unter Eichen und Buchen in Laubwäldern und Parks, seltener im Nadelwald

Verwechslungen:

Es gibt zumindest zwei Knollenblätterpilzarten, die eine so genannte „eigenständige Art“ mit eigenem Namen bilden. Der eine, der Grüne Knollenblätterpilz ist hier als Pilz des Monats beschrieben, der andere ist der Spitzhütige / Kegelhütige / Weiße Knollenblätterpilz, Amanita virosa, norw.: Hvit fluesopp.

Weißer Knollenblätterpilz

Spitzhütiger / Kegelhütiger/ Weißer Knollenblätterpilz
Amanita virosa
norw.: Hvit fluesopp.
- +++ tödlich giftig !!! +++ –


Die besondere Hutform dieses weißen Knollenblätterpilzes hat ihm im Volksmund auch den Namen der weiße Knollenblätterpilz mit dem „Achter im Hut“ eingebracht. Der jedem Fahrradfahrer sicher aus leidvoller Erfahrung gut bekannte Verwindungseffekt an den Reifen, besonders wenn hohe Bordsteine all zu heftig überfahren wurden, und der, seiner Form wegen, „Achter“ genannt wird, findet sich an jedem Hut des Spitzhütigen / Kegelhütigen Knollenblätterpilzes wieder (siehe Bild). Dazu die mehr kegelige nicht all zu flach ausgebreitete Hutform, der unterhalb des Ringes schuppige bis fasrige Stiel und die dicke weiße Knolle mit eng anliegender Scheide charakterisieren die Art treffend.
Diese Art ist in Skandinaviens submontanen bis montanen Nadelwäldern häufig.

Weiße und grüne Knollenblätterpilze

Hier einmal zum Vergleich 4 Weiße Knollenblätterpilze und ein grüner. Der Grüne Knollenblätterpilz war durch Trockenheit kreuzförmig aufgerissen, die 4 Weißen Knollenblätterpilze zeigen alle deutlich den „Achter im Hut“.


Da sich wegen des deutlich unterschiedlichen Klimas zwischen Mitteleuropa und Skandinavien, die submontane Klimazone in Norwegen bereits auf Meereshöhe beginnt, ist der weiße Knollenblätterpilz schon in den Nadelwäldern zu finden, die oftmals direkt an den Strand grenzen. Er ist sehr weit verbreitet und verhältnismäßig häufig. Die besten Vorkommen finden sich in den weiten Sümpfen, Mooren und feuchten Nadelwäldern Skandinaviens. Hier in Deutschland/Mitteleuropa ist der Pilz nur in den höheren Lagen der Mittelgebirge und in den Alpen zu finden.
Der kegelhütige Knollenblätterpilz ist ebenso tödlich wie sein grüner Verwandter.

Hier zwei weitere Aufnahmen:

Weißer Knollenblätterpilz

- Spitzhütiger / Kegelhütiger / Weißer Knollenblätterpilz –
- Amanita virosa –
- Norwegisch: Hvit fluesopp –
- tödlich giftiger Pilz –


Weißer Knollenblätterpilz

- Spitzhütiger / Kegelhütiger / Weißer Knollenblätterpilz –
- Amanita virosa –
- Norwegisch: Hvit fluesopp –
- tödlich giftiger Pilz –


Darüber hinaus werden in der Literatur noch mindestens zwei weitere Knollenblätterpilze als so genannte Variationen beschrieben.
Da ist zum Beispiel die weiße Form oder weißhütige Variante des Grünen Knollenblätterpilzes mit dem wissenschaftlichen Namen Amanita phalloides var. alba., norw.: Grønn fluesopp hvit variant (ohne Bild). Der Pilz ist genauso tödlich giftig wie sein grüner Verwandter und kommt in den gleichen Gebieten vor.
Sehr sehr selten zwar, aber nichts desto trotz, immer wieder gefunden wird auch der ebenfalls völlig weiße Frühlings-Knollenblätterpilz, Amanita verna, norw.: ohne norwegischen Volksnamen.
Manche Autoren halten diesen Pilz nur für eine Varietät der Hauptform, also des grünen Knollenblätterpilzes und nennen ihn deshalb wissenschaftlich Amanita phalloides var. verna.
Allerdings unterscheidet sich der Frühlings-Knollenblätterpilz von der Hauptform besonders durch seine bevorzugten Wachstumsgebiete, den Eichenwäldern Südeuropas, sowie einzelner besonders wärmebegünstigter, geschützter Standorte in den Edellaubwäldern Mitteleuropas, sowie durch seine sehr frühe Erscheinungszeit bereits im Mai / Juni. Ich schließe mich daher der Autorengruppe an, für die der Frühlingsknollenblätterpilz keine Forma oder Varietät, sondern eine echte eigenständige Art ist.
Der Pilz ist genauso tödlich giftig wie seine anderen, hier beschriebenen Artverwandten.
Gerade die diversen weißen Erscheinungsformen der Knollenblätterpilze sind natürlich ganz besonders gefährlich als Verwechslungspartner für Champignons und andere weiße Speisepilzarten. Sammler aller Arten von Champignons, egal, ob auf der Wiese oder in den Wäldern, sollten deshalb ganz besonders auf die zuerst hellbeige, dann zart rosa und später bei Reife dunkel schokoladenbraun gefärbten Lamellen achten! Alle Knollenblätterpilze haben rein weiße Lamellen, deren Färbung sich auch nicht verändert.
Alle Sammler von Täublingen (brüchiges Fleisch, spröde Lamellen, kein Ring und keine Knolle), insbesondere der grünhütigen Arten, wie z.B. der Grasgrüne Täubling, der Grünfeldrige Täubling oder grüne Formen des Frauentäublings zu Speisezwecken, aber auch von grünlichen Ritterlingsarten, sollten den grünen Knollenblätterpilz sehr genau kennen und mit seinen Merkmalen vertraut sein.
Auch die Verwechslung mit dem als guter Speisepilz bekannten Perlpilz, einem direkten Verwandten des Grünen Knollenblätterpilzes und mit diesem in der gleichen Gattung stehend, hätte fatale Folgen. Den Perlpilz kann man am besten an seinen rosa Verfärbungen, besonders an Fraßstellen, erkennen (siehe Foto).

Perlpilz

- Perlpilz -
- Amanita rubescens -
- norw: rødnende fluesopp -
- Guter Speisepilz –


Des öfteren von Laien, aber ab und an auch von guten Pilzkennern wird der Gelbe Knollenblätterpilz, Amanita citrina, norw.: Gul fluesopp mit dem Grünen Knollenblätterpilz verwechselt. Diese Verwechslung trägt sehr dazu bei, dass viele Menschen glauben, der tödlich giftige grüne Knollenblätterpilz sei sehr, sehr häufig und das Pilzesammeln aus diesem Grunde eine gefährliche Sache; eine Annahme die so jedoch nicht stimmt.

Perlpilz

- Gelber Knollenblätterpilz -
- Amanita citrina -
- norw.: Gul fluesopp -
- ungenießbar -
Eines der Hauptbestimmungsmerkmale,
„die gerandete Knolle“, ist in der Abbildung
deutlich zu erkennen.


Die in den allermeisten Fällen gefundenen und als „Grüne“ identifizierten „Knollenblätterpilze“ sind eindeutig „Gelbe“, und die Sammler haben lediglich die wichtigsten Bestimmungsmerkmale übersehen. Dabei handelt es sich zunächst um den Standort. Während der „Grüne Knollenblätterpilz“ in erster Linie in Parks und Wäldern vorkommt, die überwiegend von Eichen bestanden sind und nur sehr selten auch in reinen Buchenbeständen fruktifiziert, kommt der „Gelbe Knollenblätterpilz“ überall und in allen Laub- und Nadelwäldern vor, wobei seine Vorliebe sauren Böden gilt. Er ist also schon vom Standort her bevorzugt, denn Laub- und Nadelwälder auf sauren Böden gibt es nun einmal überall.
Hat man den Pilz einmal in der Hand, so ist es in erster Linie sein charakteristischer Geruch, der zur weiteren Bestimmung wichtig ist. Während der „Grüne“ einen schweren widerlich-süßlichen, bald mit aasartiger Komponente versetzten Geruch verströmt, riecht der „Gelbe“ kräftig muffig nach alten Kartoffelschalen oder altem Kartoffelkeller.
Ein drittes ebenso wichtiges Bestimmungsmerkmal ist die Knollenform. Der „Grüne“ hat eine kräftige Knolle mit lappiger abstehender weißer Scheide, der „Gelbe“ dagegen hat niemals eine Scheide und seine Knollenform ist deutlich scharfkantig gerandet.

Knollenblätterpilz

die Knolle mit der weißen
Scheide des grünen Knollenblätterpilz


Knollenblätterpilz

die Knolle des
Gelben Knollenblätterpilzes


Wenn auch die Verwechslung in vorliegendem Falle den Sammler eher zur Vorsicht mahnt, so sei ihm doch mit auf den Pilzweg gegeben, dass der „Gelbe Knollenblätterpilz“, zwar ungenießbar, aber im Gegensatz zu seinem Verwechslungspartner eben nicht tödlich giftig ist.

Stadtchampignon

- Stadtchampignon -
- Agaricus bitorquis -
- Norw: Bysjampinjong -


Riesen-Champignon

- Riesen-Champignon –
- Agaricus augustus –
- Kongesjampinjong –


- beides sehr gute Speisepilze allerdings Vorsicht beim Sammeln des Stadtchampignons, da dieser sehr stark mit Schwermetall belastet ist. -

Grasgrüner Täubling

- Grasgrüner Täubling -
- Russula aeruginea -
- Norw: Grønnkremle -


Grüner Frauentäubling

- Grüner Frauentäubling –
- Russula cyanoxantha –
- Broket kremle –

- beides sehr gute Speisepilze –


Und hier zum Abschluß noch ein Bildvergleich der weißen und grünen Knollenblätterpilze:

Grüner Frauentäubling

- Spitzhütiger / Kegelhütiger Knollenblätterpilz -
- Amanita virosa -
- Norw: Hvit fluesopp -
- Grüner Knollenblätterpilz –
- Amanita phalloides –
- Grønn fluesopp –
- +++ beide Arten tödlich giftig !!! +++ –


Verwertung:

Der Grüne Knollenblätterpilz und seine Anverwandten sind alle tödlich giftig. Sie enthalten Amatoxine und Phallotoxine, die speziell auf Leber und Niere extrem zerstörerisch einwirken. Ein Pilz mittlerer Größe also von ca. 30 - 50g reicht im allgemeinen aus, um einen Menschen zu töten. Ca. 20 - 30 % aller Vergiftungen mit dem grünen Knollenblätterpilz verlaufen tödlich.
Die Symptome zeigen sich in der Regel binnen 6 - 24 Stunden nach der Mahlzeit mit Übelkeit, kolikartigen Bauchschmerzen, starkem Brechreiz, heftiger Dauerdurchfall, starkem Schweißausbruch, Herzrasen usw. Die Phase kann 6 - 24/48 Std. anhalten, danach folgt eine Phase der scheinbaren Ruhe und Erholung, bevor es dann nach weiteren 2 - 4 Tagen in der hepatitischen Phase durch die starke Schädigung der Leber und der Nieren zumeist zum Tod im Leberkoma kommt, allerdings kann es gerade bei Herz-Kreislaufpatienten bereits vor dem endgültigen Versagen von Leber und Niere zu Herz- oder Kreislaufversagen kommen.
Es ist daher unbedingt wichtig, schon beim ersten Anzeichen einer Vergiftung sofort einen Arzt hinzuzuziehen und die Krankenhauseinweisung zu veranlassen. Essens- und Putzreste sind zur alsbaldigen Pilzbestimmung sicherstellen und ein Pilzsachverständiger zu kontaktieren.
Ist Ihnen kein Pilzfachmann bekannt, wenden Sie sich bitte umgehend an die nächstgelegene Giftnotrufzentrale, wie sie bei fast allen Universitätskliniken unterhalten werden.
Hier in Deutschland koordiniert z.B. die Giftnotrufzentrale in Mainz die lebensnot-wendige Hilfe bei Verdacht auf Pilzvergiftungen. Der 24 Stunden besetzte Notruf lautet: 06131-19240.

In Norwegen wendet man sich entweder über das Internett an http://www.norskluftambulanse.no, oder an das medisinsk nødtelefon 113, oder man kontaktet: Giftinformasjonen 24 timer i døgnet på telefon 22 59 13 00 – eller på Internettadressen www.giftinfo.no

Was nun die speziellen und so tödlich giftigen chemischen Inhaltsstoffe des grünen Knollenblätterpilzes angeht, ist dem Autor nicht bekannt ob diese anderweitig, z.B. in der Pharmazie Anwendung finden.


Besonderer Tipp für Nordlandreisende

Der grüne Knollenblätterpilz ist in Südnorwegen, insbesondere entlang den Küstenstreifen, die mit Laubbäumen, insbesondere Eichen bestanden sind, verbreitet. Der bislang nördlichste Fund wurde im Jahr 2005 im Møre og Romsdal - Fylke gemacht.
Beobachtet man die Entwicklung der letzten Jahre, erkennt man, dass der Pilz nach und nach weiter nach Norden vorrückt. Konnte man bislang davon ausgehen, dass spätestens ab dem Jostedalsbreen nordwärts, die Gefahr, auf diesen Pilz zu treffen, gebannt war, so ist diese Barriere nun deutlich durchbrochen. Beim Sammeln von Champignons und grünen Täublingen ist daher auch im mittleren Norwegen besondere Vorsicht geboten. Nördlich von Trondheim ist wohl auch in Zukunft mit dem Erscheinen des Grünen Knollenblätterpilzes, zumindest für die nächsten Jahrzehnte, noch nicht zu rechnen; allerdings ist der genauso gefährliche weiße, Kegelhütige Knollenblätterpilz über ganz Skandinavien hinweg verbreitet, soweit sich der Nadelwaldgürtel nach Norden zieht.